Direkt zum Hauptbereich

Station 2: Vung Tau

Vung Tau ist eine kleine Stadt am Meer südlich von Saigon.
Damals wie heute lebt die Stadt hauptsächlich von der Fischerei.



Am Morgen des 2. Tages begeben wir uns nach Vung Tau. Der Grund dafür ist, dass mein Vater dort damals Fuß auf das Boot gesetzt hat, dass ihn in die Freiheit brachte, genau so wie viele andere Bootsflüchtlinge, die "boat people".


Viele Leute sind auf der Flucht über das Meer gestorben. Das Leben in Vietnam ist so unerträglich gewesen, dass die Leute das Risiko auf sich nahmen. Für meine Generation ist das schier unvorstellbar. 
Mein Vater sagt immer, nur wenn man so gelebt hat, wie die Menschen im Krieg oder unter einer Diktatur, dann weiß man wirklich was echte Freiheit ist.



Meinem Vater gelang es erst nach vielen fehlgeschlagenen Versuchen für immer zu fliehen. Am Tag seiner Flucht nahm er nichts mit, nur mit seiner Kleidung auf dem Leib machte er sich auf dem Weg, damit vor allem die Nachbarn nicht merkten, dass er fliehen wollte. 
Er nahm einen Bus und fuhr aus der Stadt. Nach einer Weile sagt einer der Passagiere ihm, dass er aussteigen solle, was er auch tat. Nachdem er ausgestiegen war, wartete er, bis ein kleiner Junge mit einem Fahrrad vorbeikam und ihn aufforderte, ihm zu folgen.

Mein Vater wurde dann zu einer Hütte gebracht, wo bereits viele andere Leute anwesend waren und gesammelt wurden, darunter zahlreiche Frauen mit Kindern. 
In der Nacht machte sich die ganze Gruppe auf und watete zügig durch die seichten Flussarme des Mekongs bis zur Küste, wo das Boot auf sie wartete.
Das Boot war eigentlich ein getarntes Fischerboot, bei dem der Motor umgetauscht wurde um es für die lange Reise tauglich zu machen. Im Innern des 11 Meter langen Bootes wurden ca. 60 Menschen eingepfercht.

Genau solche Boote wollte ich mir anschauen. 

Nachdem ich einige Boote inspiziert hatte, die aber wesentlich größer zu sein schienen als mein Vater mir beschrieben hatte, kam ich ins Gespräch mit einigen Fischern.



Der Mann im Bild war sogar selbst ein Bootsflüchtling. Nachdem er anfänglich mit mir gescherzt hatte, wurde er sehr nachdenklich oder sogar traurig, als er mir seine Geschichte erzählte. Er hatte es geschafft im Jahr 1978 nach Hongkong zu fliehen. Doch 10 Jahre nachdem die Flüchtlingslager aufgelöst wurden, wurden die Flüchtlinge wieder zurück geschickt. Somit endete er als verarmter Fischer, wie er sich selbst bezeichnete. Für ihn war die Rückkehr noch viel schwieriger als die Flucht selbst.


Nun kann ich meinen Vater noch besser verstehen und nachempfinden was er durch gemacht hat.

Jeder Mensch hat eine Geschichte und meine beginnt schon hier, denn hätte mein Vater nicht die Stärke, den Mut und die Entschlossenheit gehabt sich aufzumachen, dann gäbe es mich nicht.





 

Kommentare

Beliebte Posts aus diesem Blog

Station 4: Der 17. Breitengrad

Mit dem Auto von Hoi An aus sind wir nun an der alten Grenze angekommen, sie verläuft genau entlang des 17. Breitengrades. Source: Google Maps Von 1954 bis Kriegsende im Jahre 1975 war das Land in Nord-und Südvietnam geteilt.  Der Krieg zerriss nicht nur das Land sondern auch die Familien.

Visum für Deutsch-Vietnamesen

Update Mai 2023: Für alle Vietnamesen mit deutscher Staatsbürgerschaft gibt es ein besonderes Visum. Es heisst eigentlich "Befreiung der Visumspflicht". Hier findet ihr das Merkblatt für den Antrag beim Konsulat in Frankfurt ( Standort ). Hier geht es zum Antragsformular . (Quelle: http://www.vietnambotschaft.org/konsularische-informationen/eheschliesung-in-vietnam/) Den Antrag kann man über den Postweg machen oder man kann dort persönlich vorbei fahren. Es gilt für 5 Jahre. Einzige "Bedingung" lautet jedoch, dass man nur 180 Tage Monate am Stück in Vietnam bleiben kann. Danach muss man kurz ins Ausland und kann danach wieder einreisen und dann weitere 3 6Monate bleiben, kostenfrei natürlich. Die Visumspflichtbefreiung kann auf für Eheleute gemacht werden. Zum Beispiel habe ich dies für meinen Ehemann gemacht. Meine Eltern sind gebürtige Vietnamesen mit Deutscher Staatsangehörigkeit. Deutsche Staatsangehörige brauchen kein Visum, wenn: - sie nicht länger als 15 T...

Blue Dragon Deutschland

Es ist nun schon über 10 Jahre her, dass ich mit dem WDR Team nach Vietnam gereist bin um das Land meiner Vorfahren kennen (und lieben) zu lernen. Dort habe ich eine Weile gelebt und bei Blue Dragon Vietnam auf freiwilliger Basis gearbeitet. Seitdem ist viel geschehen und mittlerweile haben wir Blue Dragon Deutschland gegründet. Unser Verein ist noch klein, aber wir hoffen schnell zu wachsen um die Arbeit von Blue Dragon Vietnam tatkräftig zu unterstützen. Wenn Ihr uns dabei helfen wollt, dann besucht gerne unsere Website .